Stadtplan Leverkusen


Aus den Ausführungen von Dr. Manfred Schneider

Vorsitzender des Vorstands der Bayer AG


Im Namen des Vorstandes der Bayer AG begrüße ich Sie ganz herzlich zu unserem heutigen Jubiläum "100 Jahre Bildung". Ich danke Ihnen sehr, dass Sie so zahlreich gekommen sind.

Viele von Ihnen werden sich vielleicht auf dem Weg nach Leverkusen gefragt haben, ob uns in diesen Tagen überhaupt nach einer Jubiläumsveranstaltung zumute ist.

Sie alle wissen, dass wir vor drei Wochen unseren Cholesterinsenker Lipobay bzw. Baycol freiwillig vom Markt genommen haben. Wir haben uns zu dieser schwer wiegenden Maßnahme entschlossen, weil die Sicherheit und Gesundheit von Patienten Vorrang vor allen anderen Aspekten haben muss. Wir haben eine klare Verantwortung für unsere Produkte ? und dieser Verpflichtung sind wir gemäß unserem Credo "Verantwortliches Handeln" nachgekommen.

Die Rücknahme eines Arzneimittels ist im Übrigen nichts Ungewöhnliches. Dies ist, ohne die Situation beschönigen zu wollen, ein Vorgang, der sich in den vergangenen Jahren mehrfach bei verschiedenen Unternehmen ereignet hat.

In manchen Medien und in breiten Kreisen der Öffentlichkeit wurde jedoch der Eindruck erweckt, als ob Nebenwirkungen eine bis dato vollkommen unbekannte Seite von heilbringenden Arzneimitteln wären. Andere wähnten gar das Ende des Unternehmens gekommen.

Die Reaktion auf unseren Vermarktungs-Stopp war weitaus heftiger, als wir erwartet hatten. Aber, meine Damen und Herren, eines will ich auch hier noch einmal ganz klar sagen: Wir haben ein Medikament vom Markt genommen ? und nicht das Unternehmen Bayer.

Wir haben damit zweifellos einen herben Rückschlag einstecken müssen, den es zu überwinden gilt. Umso intensiver und engagierter werden wir nun in die Zukunft blicken. Das Leben geht weiter ? und Bayer wird weiter bestehen.

Glücklicherweise wird inzwischen die Zahl derjenigen immer größer, die die Situation versachlichen und unserem Unternehmen Mut machen. Wie Sie, Herr Ministerpräsident. Ihr klares Bekenntnis zu Bayer und seinen Mitarbeitern hat überaus wohl getan in schweren Zeiten. Und Ihre aufmunternden Worte nach Ihrem Besuch vor wenigen Tagen haben unsere Mitarbeiter darin bestärkt, weiterhin stolz auf Bayer zu sein.

Meine Damen und Herren, der Rückzug eines Medikaments ist keineswegs der Beleg für das Scheitern unserer Strategie. Und mit einem ? wenn auch erheblichen ? Verlust an Image sowie Ergebnis und Börsenwert können doch nicht alle jene Dinge vergessen sein, die das Unternehmen in nunmehr 138 Jahren geleistet hat.

? Denken Sie nur an die vielen erfolgreichen Medikamente, die Krankheiten heilen und Schmerzen lindern.
? Oder an die vielen Produkte, die das Leben angenehmer machen und dazu beitragen, den Hunger auf dieser Welt zu bekämpfen.
? Mit Stolz schauen wir auf die Erfolge unserer Forschung, die viele moderne Entwicklungen, ohne die unser heutiges Leben nicht mehr vorstellbar wäre, erst möglich gemacht haben. ? Wir erbringen zahlreiche soziale Leistungen, von denen nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch die Menschen im Umfeld unserer Standorte profitieren.
? Nicht zu vergessen die Unterstützung vieler Projekte vornehmlich in den Bereichen Schule, Hochschule und Wissenschaft sowie die Förderung von Kultur und Sport.

Bayer trägt die soziale Verantwortung für mehr als 120.000 Mitarbeiter rund um den Globus. Diese Mitarbeiter sind unser Kapital. Ihnen gilt unsere besondere Aufmerksamkeit.

Mit modernen Konzepten der Personalpolitik bereiten wir unsere Mitarbeiter auf die Anforderungen des globalen Wettbewerbs vor und passen das Unternehmen der Dynamik der Märkte an. Dabei spielt die Aus- und Weiterbildung eine besondere Rolle ? seit nunmehr 100 Jahren.

In dieser Zeit ? über die Sie viele Details in der Ausstellung draußen im Foyer erfahren können ? haben wir zigtausenden junger Menschen einen qualifizierten Einstieg ins Berufsleben und den langjährigen Mitarbeitern ein umfassendes Angebot zur Fort- und Weiterbildung ermöglicht.

Aus- und Weiterbildung sind Ihnen, lieber Herr Clement, ein besonderes Anliegen. Dies haben Sie mit Ihren Aussagen und Aktivitäten immer wieder bestätigt. Sie gehen in die Betriebe unseres Bundeslandes, haben landesweite Ausbildungsinitiativen unterstützt und wissen ganz genau um die Bedeutung einer fundierten Aus- und Weiterbildung.

Kompetente Mitarbeiter sind für uns wie für alle Unternehmen eine immens wichtige Ressource. Was einst mit vier Schlosserlehrlingen begann, die 1901 bei Bayer ihre Lehre aufnahmen, hat sich in einem Jahrhundert zu einem Bereich entwickelt, der in 20 Ländern 5.000 junge Menschen pro Jahr ausbildet. Am kommenden Montag werden wieder 1.006 Schulabgänger ihren Berufsweg in unseren deutschen Werken starten.

Als die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland vor einigen Jahren einen bedrohlichen Höhepunkt erreichte, haben wir damit begonnen, weit über den eigenen Bedarf hinaus auszubilden. Mit diesem Engagement erfüllen wir sicherlich auch eine gesellschaftspolitisch wichtige Funktion. Wir geben jungen Menschen die Chance, durch eine qualifizierte Ausbildung in einem anerkannten Beruf die Basis für eine anspruchsvolle und erfolgreiche Berufstätigkeit in einem anderen Unternehmen zu legen.

Auch in diesem Jahr bilden wir wieder 125 Schulabgänger mehr aus, als wir an Nachwuchs benötigen.

Nicht zu vergessen unser "Starthilfeprogramm", mit dem wir Schulabgänger mit unzureichender Berufsreife in einem einjährigen Förderungsprogramm auf eine Ausbildung vorbereiten.

Meine Damen und Herren, das Leben ist heute für die meisten längst ein permanenter Lernprozess. Immer rasantere technische Veränderungen und die Internationalisierung der Wirtschaft machen es nötig, alle beruflichen Qualifikationen ständig weiterzuentwickeln. Eine berufsqualifizierende Ausbildung reicht schon lange nicht mehr für ein ganzes Arbeitsleben. Die Anforderungen an Wissen und Können nehmen immer mehr zu.

Vor diesem Hintergrund stellen wir das Bildungsjubiläum der Bayer AG unter das Motto "Kontinuität und Veränderung". Im Mittelpunkt steht die fortwährende Weiterbildung. Wir sind stolz darauf, dass mehr als 22.000 Mitarbeiter allein in Deutschland im vergangenen Jahr an 4.000 Tages- und 400 Abendkursen teilgenommen haben. Das ergibt in Summe die stolze Zahl von über einer Million Kurs-Stunden.

Bildung ist zweifellos eine wichtige Investition in die Zukunft ? zur Sicherung der Produktivität und des Erfolges unseres Unternehmens. Allein in diesem Jahr geben wir weltweit über 200 Millionen Mark für die Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus.

Aber auch den Nachwuchs von morgen haben wir heute schon fest im Auge: Mehrere tausend Schüler informieren sich jährlich in Praktika und bei "Tagen der offenen Tür" über den Berufsalltag bei Bayer. Eine enge Zusammenarbeit mit Schulen und Universitäten sowie die Präsenz auf Job-Börsen und Hochschulmessen gehören seit vielen Jahren zum Standard unserer Bildungsarbeit.

Durch unsere Ausbildung decken wir etwa 70 Prozent unseres Bedarfs an qualifiziertem Personal unterhalb des Hochschulniveaus. Ohne dieses Ausbildungsengagement würden wir bei Bayer in erheblichem Umfang mit dem Problem des Fachkräftemangels konfrontiert ? und dies nicht nur in den IT-Berufen.

Meine Damen und Herren, als Bayer vor 100 Jahren in die Bildungsarbeit einstieg, ging es um die Vermittlung von Grundfertigkeiten. Heute sprechen wir von individuellem Qualifizierungsbedarf und betriebsspezifischen Belangen, wenn es um die Zukunft der betrieblichen Aus- und Weiterbildung geht.

Lassen Sie mich anhand unseres Mottos "Kontinuität und Veränderung" ? dessen Anfangsbuchstaben unbeabsichtigt, aber durchaus passend denen unseres Firmenmottos "Kompetenz und Verantwortung" entsprechen ? einige wesentliche Aspekte der Bildungsarbeit im Unternehmen deutlich machen.

Ein Konzern wie Bayer ist ein Motor schneller Veränderungen, wenn Märkte und technische Entwicklungen dies erforderlich und sinnvoll machen. Ebenso legen wir Wert auf unternehmerische Kontinuität. Dies bedeutet für unsere Bildungsarbeit, dass wesentliche Kernaspekte, die bereits vor 100 Jahren gegolten haben, auch heute und in Zukunft Bestand haben.

In unseren Ausbildungsgängen und Fortbildungs-Programmen geht es jedoch nicht allein um die Vermittlung von Basiswissen. Im Fokus unserer Bemühungen stehen auch die wichtigen sozialen Komponenten einer effektiven Zusammenarbeit. Team-Orientierung, soziale Kompetenz und modernes Projektmanagement sind bedeutende Schwerpunkte der Ausbildung.

Nicht zuletzt soll die Bereitschaft gefördert werden, die notwendigen Veränderungsprozesse aktiv mitzugestalten. Denn der Mensch mit seinem Wissen, seiner Kreativität und seinem Engagement spielt trotz aller Technisierung die wichtigste Rolle im fortwährenden Wandel.

Hinzu kommt, dass sich Wissen in geradezu atemberaubender Geschwindigkeit vervielfacht, während das bestehende Know-how schneller denn je veraltet. Experten würden sagen: Die Halbwertzeiten des Fachwissens verkürzen sich ständig. Deshalb sollten zwei Grundvoraussetzungen erfüllt werden: Auf der einen Seite müssen die Unternehmen ihr "Wissens-Management" ständig verbessern, auf der anderen Seite sollte schon in der Schule und später in der Ausbildung die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen geweckt und während des Arbeitslebens wach gehalten werden.

Denn an der Schwelle vom Industrie- zum Informationszeitalter entscheiden nicht zuletzt die Fähigkeiten jedes Einzelnen, sich auf der fachlichen Ebene stets weiterzuentwickeln, über Erfolg und Entwicklungsfähigkeit der Unternehmen. Nicht Sachinvestitionen, sondern Human-Potential-Investitionen sind die zentrale strategische Ressource der Zukunft.

Unser Auftrag ist deshalb klar definiert: Wir müssen die Talente und die Fähigkeiten unserer Mitarbeiter fördern und die Neugier für Neues wecken. Gerade in Zeiten eines verschärften internationalen Wettbewerbs brauchen wir Beschäftigte, die bereit und motiviert sind, sich auf Veränderungen einzulassen und diese als Chance zu sehen ? und nicht als unliebsame Unterbrechung gewohnter oder eingefahrener Abläufe.

Berufliche Ausbildung, meine Damen und Herren, benötigt natürlich auch eine Basis, auf der sie erfolgreich aufbauen kann. Ich will keineswegs die staatliche Bildungspolitik in Schulen und Hochschulen in Zweifel ziehen. Aber in den Unternehmen wird häufig die Feststellung gemacht, dass die schulische Grundausbildung nicht in allen Fällen den heutzutage notwendigen Anforderungen entspricht.

Jüngste Umfragen haben ergeben, das vier von fünf Deutschen sich mehr Wirtschaftsthemen im Schulunterricht wünschen, um ökonomische Zusammenhänge transparenter und besser verständlich zu machen und damit den Nachwuchs intensiver auf zukünftige Berufsaufgaben vorzubereiten.

Viele Experten fordern schon seit langem, die Lehrpläne deutscher Schulen zu durchforsten und den zukünftigen Anforderungen anzupassen. Ökonomie als Lehrfach wird immer wieder diskutiert ? damit die Schüler keine Analphabeten in Sachen Wirtschaft bleiben.

Ähnliche Überlegungen in Sachen Informationstechnologie sollten ebenfalls schnellstmöglich umgesetzt werden. Wenn moderne Computertechnologien schon in den Schulen umfassender und vielfältiger in die Lernprogramme integriert würden, müssten wir sicherlich nicht so intensiv über Green-Cards für ausländische Spezialsten diskutieren, wie es gegenwärtig der Fall ist.

Der Fachkräftemangel in der Informations- und Kommunikationstechnologie hat nachhaltig gezeigt, wie schnell man an wirtschaftliche Wachstumsgrenzen stoßen kann, wenn Entwicklungen verpasst werden.

Wir als Unternehmen der pharmazeutisch-chemischen Industrie beklagen außerdem die rückläufige Quantität an naturwissenschaftlicher Grundausbildung im Schulalltag. Ich glaube, dass wir unseren Schülern dann am besten helfen, wenn wir neben dem unstrittig wichtigen Breiten- und Allgemeinwissen auch das Wissen, die Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln, die für ein erfolgreiches berufliches Handeln notwendig sind ? quasi für "Employability", wie man auf gut Neudeutsch sagt.

Obwohl in der aktuellen Entwicklung sicherlich Kurskorrekturen zu begrüßen wären, bleibt dennoch festzuhalten: Das System der beruflichen Bildung in Deutschland hat sich in vielen Jahren bewährt. Weil die staatliche Bildungspolitik funktioniert und sich viele Unternehmen mit neuen Ideen und eigenen Ausbildungswegen um eine ständige Verbesserung des Systems verdient gemacht haben.

So wurde Auszubildenden in vielen Fällen weit mehr geboten, als in den Ausbildungsordnungen festgeschrieben war. Doch nun stehen wir vor neuen Herausforderungen, die weitere Anpassungen erforderlich machen: neben dem bereits erwähnten Wandel von der Industriegesellschaft zur Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft in erster Linie die zunehmende Globalisierung.

Dieser Trend verlangt eine immer stärker ausgeprägte internationale Ausrichtung. Auch die berufliche Aus- und Weiterbildung muss sich intensiver an dieser Herausforderung orientieren. Für viele Mitarbeiter ? nicht nur für Führungskräfte ? ist es längst selbstverständlich geworden, im Rahmen des internationalen Netzwerkes des jeweiligen Unternehmens einige Jahre im Ausland zu verbringen. Darauf müssen die jungen Menschen vorbereitet werden ? u. a. durch eine Verstärkung des Fremdsprachenunterrichts an den Schulen.

Veränderung ist ein weiteres, wichtiges Stichwort in diesem fließenden Prozess. Ein Unternehmen kann nur mit einer hoch qualifizierten Mannschaft im internationalen Wettbewerb erfolgreich sein. Sie ist der Garant für anspruchsvolle Produkte mit einem hohen technologischen Standard. Dieser Forderung zum stetigen Wechsel müssen wir uns stellen.

Deshalb ergänzen wir unsere Standard-Seminarprogramme laufend um bereichsspezifische Maßnahmen, aber auch Programme und Studienmöglichkeiten für spätere Führungskräfte, die auch Auslandsaufenthalte beinhalten. Für Abiturienten bieten wir darüber hinaus seit kurzem vier kombinierte Ausbildungs- und Studiengänge in den Bereichen Informatik, Marketing, Chemie-Ingenieurwesen und Verfahrenstechnik, in denen Theorie und Praxis miteinander verknüpft werden.

Veränderungen in der Fortbildung betreffen auch die Lernmethoden. Dabei gilt es, die modernsten Medien zu nutzen. eBusiness und eCommerce sind für uns längst aktiv genutzte Instrumente. eLearning ist daher folgerichtig ebenfalls eine neue Aufgabe im Feld der Basis- und Weiterqualifizierung.

In unseren Unternehmens-Leitlinien steht geschrieben, dass wir in allen Bereichen die besten Mitarbeiter haben wollen. Weil wir wissen, dass nur kompetente Mitarbeiter auf allen Hierarchie-Ebenen und in allen Funktionen verantwortungsvolle Arbeit leisten können.

Innerhalb der Bayer AG kümmern sich 300 Spezialisten um betriebliche Bildung und Ausbildung, weltweit sind es noch einige hundert mehr. Ihnen danke ich ? im Namen des gesamten Vorstandes ? für Ihre Arbeit. Ihr Einsatz und ihr Können werden ? da bin ich sicher ? Motivation und Engagement der Mitarbeiter weiterhin entscheidend prägen. Und darauf wird es besonders in den nächsten Wochen und Monaten ankommen, wenn es für uns alle darum geht, die Zukunft zu gestalten.

Vorstand, Führungsmannschaft und Mitarbeiter werden alles tun, um den Konzern wieder auf Erfolgskurs zu bringen.

Denn Bayer ist und bleibt ein attraktives Unternehmen:
für die Mitarbeiter, die bei uns arbeiten;
für die Menschen, die unsere Produkte nutzen;
und für Anleger, die in unsere Aktien investieren.

Quelle: Pressemitteilung der Bayer AG vom 31.08.2001
100 Jahre Bildung
Manfred Schneider
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Letzte Änderungen: 11.09.2001