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"Visionen werden Produkte: Der Geschäftsbereich Kunststoffe als Solution Provider"

Aus den Ausführungen von Dr. Hagen Noerenberg, Leiter des Geschäftsbereichs Kunststoffe der Bayer AG


Elektrostatisch lackierbare Polyamide, eine neue flammgeschützte Polycarbonat/ABS-Produktgeneration, Fortschritte bei der Wasser-Injektionstechnik, ein hocheffizientes Thermomanagementsystem für Spritzgießwerkzeuge. Das sind nur einige Highlights einer kurzen, aber spannenden Reise, auf die ich Sie in den kommenden Minuten gerne mitnehmen möchte. Sie wird mit aktuellen Erfolgsprodukten beginnen, Station bei Marktneuheiten und Verfahrensinnovationen machen und auch zu unseren Visionen führen.
Grafik: Bayer AG
Keine Frage: Kunststoffen gehört die Zukunft. Ihr Verbrauch ist - im Vergleich zum Werkstoff Rohstahl - rasant in die Höhe geschossen: von etwa 6 Millionen Tonnen im Jahr 1960 auf über 160 Millionen Tonnen im Jahr 2000.

Von den 160 Millionen Tonnen sind derzeit etwa 12 Millionen Tonnen sogenannte "Technische Kunststoffe". In diesem Segment gehört unser Geschäftsbereich zu den weltweit führenden Produzenten und Anbietern. Wer aber meint, wir würden ein reines Granulatgeschäft betreiben, irrt gewaltig. Um echten Customer Value Added generieren zu können, erfragt und fordert der Kunde komplette Systemlösungen und echte Innovationen bei Produkten und Anwendungen. Wir verstehen uns deshalb an erster Stelle als Solution Provider, als Anbieter von Material- und Systemlösungen und Technologiepaketen. Dabei streben wir im Markt eine Problemlöse- und Serviceführerschaft an. Das ist neben den Schwerpunkten Operational Excellence und Wachstum mit dem Fokus Profitabilität eine der tragenden Säulen unserer strategischen Ausrichtung.

Den Erfolg dieser Strategie spiegeln unter anderem Produkte und Verfahren wider, die wir Ihnen zur letzten K als Highlights vorgestellt haben. Kurz möchte ich Ihnen daher von der erfolgreichen Markteinführung und neuen Trends berichten.
Grafik: Bayer AG
Beginnen wir mit optischen Datenspeichern. Hier hieß das neue Incentive: Erhöhung der Speicherdichte pro Flächeneinheit, was sich in der Einführung der "Digital Versatile Disc" oder kurz DVD niederschlug. Bei ihr sind Mindestpitgröße und der Spurabstand in etwa halbiert, was Sie im Bild gut erkennen können. Die Miniaturisierung steigerte die Speicherkapazität um das Siebenfache auf fast 5 Gigabyte pro DVD-Seite, erforderte aber auch Polycarbonat mit einer stark erhöhten Fließfähigkeit. Hier konnten wir mit neuen Makrolon®-Typen die Lösung bringen. Zur Zeit wird daran gearbeitet, die Speicherkapazität durch Ablegen der Informationen in mehreren Schichten auf bis zu 18 Gigabyte pro DVD zu steigern.
Grafik: Bayer AG
Die Substitution von Metall durch Kunststoff - klassisches Beispiel ist der Ersatz der Stoßstange durch einen Kunststoff-Stoßfänger - steht zur Zeit ganz im Zeichen der Integration zusätzlicher Eigenschaften. Neben Gewichtsreduktion, Korrosions- und Designfreiheit sind nun auch eine hohe Steifigkeit, anspruchsvolle Oberflächen und Dimensionsstabilität gefragt. Der Trend geht zu Materialkombinationen. Die neuen Technologien hierfür sind z.B. die Hybrid-Technik und "In Mould Decoration". Bei ihrer Entwicklung war unser Haus Vorreiter.

Die Hybridtechnik haben wir inzwischen erfolgreich in Kfz-Frontends von Serienmodellen wie z.B. dem Ford Focus oder dem Audi A2 umgesetzt. Nun gilt es, die ganze Anwendungsbreite im Automobil, aber auch in anderen Bereichen, auszuschöpfen.
Grafik: Bayer AG
Beim Folienhinterspritzen wird eine dekorierte, umgeformte und beschnittene Folie im Werkzeug hinterspritzt. Etabliert hat sich das Verfahren, weil es einfache und schnelle Dekorwechsel von Schuss zu Schuss durch Einlegen unterschiedlich dekorierter Folien in die Spritzgussmaschine erlaubt. Resultat sind sehr komplex geformte Bauteile mit exzellenter Oberfläche, wie das Beispiel der Armaturenblende zeigt.

Bei soviel Innovation zur letzten K fragen Sie sich sicherlich: Ist denn zur K 2001 überhaupt noch eine Steigerung möglich? Meine Antwort ist ein schlichtes "Ja". Aus Zeitmangel werde ich Ihnen nun aber nur eine knappe Auswahl an "Schätzen" aus unserer Pipeline präsentieren.
Grafik: Bayer AG
So haben wir für die elektrostatische Lackierung neue Typen unserer Polyamide Durethan® mit reduziertem Oberflächenwiderstand entwickelt. Der Lack zieht sich wie von allein um die Kurven und Kanten der Durethan-Komponenten, wie in der Design-Studie am Beispiel eines Türgriffes oder einer Tankklappe zu sehen ist. Der Einsatz von Leitfähigkeitsprimern ist überflüssig. Gerade bei der Lackierung von Bauteilen mit komplexer Geometrie reduziert sich der Overspray um 20 bis 50 Prozent, was eine deutlich höhere Lackausbeute und weniger Lackabfall bedeutet.
Grafik: Bayer AG
Mit Makrolon DP1-1848 verfügen wir über ein Co-Polycarbonat, das bei exzellenter Transparenz ein völlig neues Eigenschaftsprofil aufweist. Clou ist die deutlich gesteigerte Kerbschlagzähigkeit in der Kälte, die selbst bei -60 °C noch 60 Kilojoule pro Quadratmeter beträgt. Weitere Stärken sind die um 10 Grad erhöhte Wärmeformbeständigkeit von 156 °C nach Vicat B und die verbesserte Resistenz gegen eine Vielzahl von Alltagschemikalien. Vergleichbares wird auf dem Markt zur Zeit nicht angeboten. Diese Eigenschaftskombination prädestiniert den Thermoplasten für Einsätze mit extremen Temperaturen, bei denen es zusätzlich auf eine hohe Schlagzähigkeit ankommt ? wie z.B in der Lichttechnik. In der Medizintechnik hat das Polycarbonat ebenfalls Anwendungspotenzial, weil es mit Heißdampf sterilisierbar ist.
Grafik: Bayer AG
Ein neues Versuchsprodukt ist das Flexglas aus aliphatischem thermoplastischem Polyurethan. Der Prestige-Sportwagen von BMW, der neue Z8 Roadster, ist mit einer flexiblen Heckscheibe aus diesem Material ausgerüstet. Es besticht durch seine Lichtechtheit und die hohe Gestaltungsfreiheit, die es den Autodesignern und den Konfektionären der Verdecke bietet. Mit ihm lassen sich große und leichte Scheiben fertigen, die auch kratzfest sind. Das hat den Ingenieuren des High-Tech-Wagens besonders gefallen. Denn so können Z8-Fans in die automatische Waschanlage fahren, ohne Kratzer auf der Scheibe zu riskieren ? ein echter Komfortgewinn.
Grafik: Bayer AG
Im letzten Jahr haben wir in Antwerpen mit großem Erfolg eine Polycarbonatanlage auf Basis unserer neuen Schmelze-Polycarbonat-Technologie angefahren. Sie liefert Produkte mit gewohnt guter Farbe und Transmission und den sonstigen Vorzügen unserer Standard-PC-Typen. Das Verfahren ist ein weiterer Schritt zur ökologischen und ökonomischen Optimierung der Makrolon-Herstellung.
Grafik: Bayer AG
Von unseren Polycarbonat/ABS-Blends möchte ich besonders die neue flammgeschützte Bayblend® FR 3000-Generation herausstellen, deren Entwicklung und Markteinführung in kürzester Zeit gelang. Sie erreicht ein V0 bei sage und schreibe 0,8 Millimeter Wanddicke gemäß der Prüfnorm UL 94 V. Dies ist ein Gütesiegel erster Klasse für Anwendungen im Brandschutz. Gleichzeitig ist sie chlor- und bromfrei sowie hydrolysebeständig und erfüllt die strengen Normen aller bekannten Ökolabel wie z.B. blauer Engel, weißer Schwan etc. Weitere Stärke: Bei der Verarbeitung dampft kein Flammschutzmittel aus, was zu Werkzeugbelägen führen und die Oberflächenqualität der Formteile beeinträchtigen könnte. Die verschiedenen Typen eignen sich für die Dünnwandtechnologie im IT-Bereich sowie für Spritzguss- oder Extrusionsanwendungen.

Besonders hervorzuheben sind die Extrusionstypen. Sie sind das Material der Wahl für Einsätze mit strengen Anforderungen an den Brandschutz ? wie z.B. flammgeschützte Kabelkanäle für sensible Bereiche öffentlicher Einrichtungen oder Verkleidungen für Bus und Bahn. Dank eines chlor- und bromfreien Flammschutzmittels bilden sie bei einem Brand keine korrosiven und toxischen Gase.
Grafik: Bayer AG
Als letztes möchte ich Ihnen nun das laserschweißbare Durethan vorstellen, das wir derzeit in den Markt einführen. Es ermöglicht das Fügen schwieriger dreidimensionaler Teilegeometrien, wie sie z.B. für Ansaugkrümmer in aktuellen Automotoren typisch sind. Der neue Polyamid-Typ zeichnet sich durch geringen Schweißaustrieb und absolute Fusselfreiheit aus, die die Qualität der Schweißnaht beeinträchtigen könnten, sowie durch kurze Zykluszeiten. Zudem sind Hart-Weich-Kombinationen ohne Probleme schweißbar. Im Ergebnis führt die neue Technologie zu geringeren Investitionsaufwendungen für Schweißanlagen.

Nach diesem Feuerwerk an Produktinnovationen fragen Sie sich sicher, ob wir überhaupt noch Produktvisionen haben. Natürlich haben wir sie, und wir arbeiten bereits heute in unseren Laboratorien daran, sie zu verwirklichen.

Erwähnen möchte ich unsere Arbeiten zu flexiblen OLED-Bildschirmen, die auf der Basis des leitfähigen Polymers Baytron® P aufsetzen. Ein weiteres Beispiel sind voll flexible Solarmodule. Hier haben wir mit der Entwicklung semiflexibler Module bereits den richtigen Weg eingeschlagen. Letztere befinden sich derzeit in der Praxiserprobung, z.B. zur Energieversorgung von Haltestellen.

In der optischen Datenspeicherung wird die Zukunft eine weitere Verkleinerung der Speicherstrukturen bringen. Eine Möglichkeit - unter Beibehaltung der binären Kodierung - bietet hier das Prinzip der Nanoindentation. Das Schreiben und Auslesen der Informationen könnte mittels eines Rasterkraftmikroskops erfolgen. Die Speicherkapazität würde dadurch auf 70 Gigabyte bei gleicher Fläche steigen. Dies nur am Rande: In ferner Zukunft ist eine weitere Erhöhung des Informationsgehaltes durch Erweiterung der binären "schwarz/weiß"-Information auf "Graustufen" möglich.

Es sind aber nicht nur die Produkte selbst, die einen Added Value für unsere Kunden oder unsere Umwelt schaffen, sondern auch neue oder verbesserte Technologien. Einige möchte ich Ihnen vorstellen. Und zwar die, über die wir auch auf der K 2001 eingehender informieren wollen.
Grafik: Bayer AG
Ein Paradebeispiel für Added Value ist das von der Firma Innova mit unserem Haus entwickelte Thermo-Managementsystem Contura®. Mit dem Verfahren gelingt es, Spritzgießwerkzeuge mit einem Kühlkanalsystem auszustatten, das der Teilekontur sehr nahe folgt. Dadurch wird die Wärme schneller abgeführt als bei konventionellen Kühlungen. Die Ergebnisse können sich wahrlich sehen lassen:

1. Die Kühlzeit wird halbiert und der gesamte Spritzgussprozess um durchschnittlich 30 Prozent beschleunigt. Dieses Chart zeigt Ihnen anhand von Infrarotaufnahmen die Kühlzeitverkürzung im Falle einer einfachen Kiste.

2. Der gleichmäßigere Temperaturverlauf an der Werkzeugwand verbessert außerdem die Qualität der Formteile, was sich positiv auf Glanzstellen, Verzug, Bindenähte etc. auswirkt.

Insgesamt reduziert Contura deutlich die Fertigungskosten von Spritzgussformteilen.
Grafik: Bayer AG
Die Gas-Injektionstechnik hat sich bereits bei der Herstellung von Bauteilen mit größeren Querschnitten oder von Hohlkörpern wie etwa Rohren für Kühlmedien bewährt. Mit zunehmenden Querschnitten treten jedoch wegen der schlechten Wärmeleitfähigkeit der Kunststoffe und der geringen Kühlleistung des verwendeten Gases Stickstoff Verarbeitungsprobleme auf. Hier verspricht die Wasser-Injektionstechnik deutliche Vorteile. Weil Wasser mehr Wärme aufnimmt und auch besser leitet, verbessert sich die Kühlwirkung deutlich. Dadurch können Bauteile mit noch größeren Querschnitten realisiert werden, wobei sich die Zykluszeiten um bis zu 75 Prozent verkürzen.

Neue Wege beschreiten wir auch im Marketing, nämlich mit einer neuen Markenstrategie für unser Multitalent Makrolon. Mit der Botschaft bzw. dem Qualitätssiegel "made of makrolon®" wollen wir die Vorzüge des Polycarbonats auch dem Endverbraucher bekannt machen. Erste Schritte in diese Richtung sind Cobranding-Kooperationen mit dem CD- und DVD-Hersteller MMore und dem Brillenspezialisten Uvex. Außerdem stehen wir mit einem namhaften Partner aus der Automobilindustrie in Verhandlungen.

Ein letztes Highlight soll Ihnen unsere Kompetenz als Solution Provider speziell bei den Customized Services demonstrieren.
Grafik: Bayer AG
Wir haben ein auf dem Markt wohl einzigartiges Programm zur Berechnung und Vorhersage der Design- und Processing Properties von Formteilen entwickelt, das wir für unsere Kunden in das Technologieportal unseres neuen Internetauftritts integrieren wollen. Mit ihm lassen sich die zulässigen Belastungsgrenzen für Bayer-Thermoplaste in Abhängigkeit von der Belastungsart, den Verarbeitungstemperaturen und der Formteildicke in einem Temperaturfenster von -40 °C bis zum Erweichungspunkt berechnen. Darüberhinaus besteht die Möglichkeit, über das Entformungsverhalten die Schwindung, Siegel- bzw. Erstarrungszeit und Prozesszeiten zur Herstellung der Formteile zu bestimmen. Kürzere und kostengünstigere Bauteilentwicklungen sind der Nutzen für unsere Kunden. Auf der K 2001 wollen wir Ihnen hierzu eine Software-Demo vorführen ? und zwar in unserem Zentrum für Technologie und Innovation, wo wir auch andere aktuelle Erfolge unseres Kundenservices für Material- und Systemlösungen präsentieren.
Grafik: Bayer AG
Lassen Sie mich ein kurzes Fazit ziehen.

Der Markt für Technische Kunststoffe wird auch weiterhin dynamisch wachsen ? insbesondere in der Region Asien. Getrieben von Kostendruck und E-commerce, wird in Zukunft eine zunehmende Trennung von Produkt und Service Teil der Überlebensstrategie von Kunststoffherstellern werden. Liegt heute der Unternehmensfokus noch auf dem Produktportfolio, wird sich wohl eine noch stärkere Differenzierung zwischen Commodity Business einerseits und Dienstleistung und Service andererseits durchsetzen. Innovationen sind meist nur noch durch interdisziplinäre Entwicklungsarbeit möglich; neue Polymere wird es ? wenn überhaupt ? nur für einige Spezialanwendungen geben. Gesetzgebungsinitiativen und das Precautionary Principle stellen Unternehmen immer wieder vor neue Herausforderungen, wobei wir uns klar zu unserer Verantwortung für Mensch und Umwelt bekennen und den kritischen Dialog mit Gesellschaft und Politik suchen. Diesen Herausforderungen werden wir uns stellen.

Quelle: Pressemitteilung der Bayer AG vom 22.06.2001
Bayer auf der K 2001
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Letzte Änderungen: 03.12.2001