Rainer Häusler zum Schlichterspruch im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes

Zugeständnisse der Arbeitgeber stoßen auf Gewerkschaftsblockade

Archivmeldung aus dem Jahr 2008
Veröffentlicht: 27.03.2008 // Quelle: Stadtkämmerer Häusler

1. Zusammensetzung der Schlichtungskommission
12 Arbeitgebervertreter (je 6 Mitglieder Bund/Kommunen)
12 Arbeitnehmervertreter
1 stimmberechtigter Vorsitzender
1 beratendes Mitglied

2. Schlichterspruch im Einzelnen:
• Entgelterhöhung ab 1. April 2008: 4 Prozent • Weitere Entgelterhöhung ab 1. Januar 2009 um 2 Prozent • Zusätzliche Sonderzahlung zum 1. April 2008 in Höhe von 450 € für die Entgeltgruppen 1 bis 8 („soziale Komponente") • Weitere Sonderzahlung in Höhe von 450 € für sämtliche Beschäftigten im Juli 2009 • Ausbau des Volumens für Leistungsentgelte um 0,5 Prozent (auf dann 1,5 Prozent) der Jahresgehälter ab 2009 • Erhöhung der Arbeitszeit auf 39,5 Wochenstunden im Tarifgebiet West Nach mehrtägigen Beratungen bis in die Nächte hinein ist dieses Ergebnis lediglich mit Stimmenmehrheit von 13 zu 12 Stimmen, d. h. gegen die Arbeitnehmerseite, zustande gekommen.

3. Weiteres Verfahren/Fragen
Es stellen sich die Fragen,
• ob sich die Arbeitgeberseite insgesamt, d. h. für den Bund und bundesweit für die kommunale Ebene dem Schlichterspruch anschließen kann und diesen zur Grundlage weiterer Verhandlungen macht • ob sich die Blockadehaltung der Arbeitnehmerseite bei den anschließenden Verhandlungen weiter fortsetzt • ob die harte Linie der Gewerkschaften in die Urabstimmung und dann in flächendeckende Streiks führt.

4. Inhaltliche Bewertung des Schlichterspruchs
Gegenüber dem ursprünglichen Arbeitgeberangebot ergibt sich für den Gesamtzeitraum ein Plus von zusätzlichen 3 % in 2009.
Zur Erinnerung:
• für die tarifgebundenen Beschäftigten des Landes hat Ver.di bereits einen Tarifabschluss von 2,9 % für 2008 vertraglich vereinbart • deshalb hat die Stadt ebenfalls 2,9 % für 2008 eingesetzt • für 2009 ist bisher überhaupt keine Steigerung veranschlagt Die Arbeitgeberseite hatte für 2008 4 % und 1 % für 2009 angeboten.
Jetzt soll die Anhebung in 2009 4 % (d. h. + 3 %) betragen.
Die ursprünglich angestrebte Arbeitsverlängerung von 40 Stunden ab 01.01.2009 wird nicht erreicht, sondern nur eine Empfehlung für 39,5 Stunden ausgesprochen.

5. Finanzielle Belastung
- Für die Kernverwaltung der Stadt würde dieser Schlichterspruch ein Mehraufwand von ca. 625.000 € in 2008 bedeuten.
- In 2009 käme eine zusätzliche Belastung von knapp 1,9 Mio. € auf den Haushalt zu.
Bei einem z. Z. mit 102 Mio. € überschrittenen Girokonto braucht die Schmerzgrenze dieser Tarifempfehlung nicht besonders hervorgehoben zu werden.

6. Meine Haltung
Trotzdem – ohne den Ergebnissen der anstehenden Verhandlungen vorgreifen zu wollen – werde ich als Vorstandsmitglied des KV-NW im Interesse unserer Stadt die Annahme des Schlichtungsspruchs empfehlen.

7. Bewertung der Arbeitnehmerhaltung
- Die Blockadehaltung, diese Empfehlung der Schlichter ablehnen zu wollen, ist nicht mehr nachzuvollziehen.
- Wenn es also bei dem Ultimatum der Gewerkschaften bleiben soll: Einigung im Tarifstreit nur dann, wenn Arbeitszeitverlängerung wieder vom Tisch kommt, wird es wohl oder übel zum Streik kommen.
- Aber scheinbar muss das letzte Kapitel des vorbereiteten Drehbuchs in der Tarifauseinandersetzung „abgerollt" werden.
- Insoweit habe ich große Befürchtungen für die Städte und Gemeinden und deren kommunale Betriebe und Gesellschaften und die damit verbundene öffentliche Infrastruktur.
- Aus meiner Sicht ist das Verhalten der Gewerkschaften der Bürgerschaft nicht oder nur schwer zu vermitteln.
- Zur Vermeidung einer Arbeitszeitverlängerung von 38,5 Stunden auf 39,5 um eine Stunde pro Woche (d. h. 12 Minuten pro Tag) flächendeckende Streiks vom Zaun zu brechen, wo bleibt hier noch das Maß der Verhältnismäßigkeit der Mittel?
- Erst recht, wenn wir den Bürgern erklären, dass o im Lande NRW die tarifgebundenen Beschäftigten bereits 39 Stunden und 50 Minuten im Regelfall arbeiten o dass die Beamten der Stadt Leverkusen bereits seit dem 01.01.2004 sogar bis zu 41 Stunden arbeiten Sollte dies tatsächlich die mehrheitliche Auffassung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst sein, zu Vermeidung von täglich 12 Minuten Arbeitszeitverlängerung diese Streiks zu führen?
- Aber vielleicht geht ja noch der vielbesagte Ruck durch verantwortungsbewusste Köpfe der Gewerkschaftler, und zwar im Sinne von Gesamtverantwortung für das Gemeinwesen.
Schlussendlich sollte bei alledem die vergleichsweise beruhigende Situation der Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst berücksichtigt werden, was die Arbeitsplatzsicherheit insgesamt anbelangt und den Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen speziell in Leverkusen beinhaltet.


Anschriften aus dem Artikel: Albert-Einstein-Str 58, Alte Landstr 129

Kategorie: Politik
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