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Buchbesprechung: Ein Kapitel Lokalverkehr

"Der Balkanexpress". Die Eisenbahnverbindung Remscheid-Lennep - Opladen

Vor nahezu zehn Jahren, am 31. Mai 1991, endete für die kreisfreie Stadt Leverkusen mit der Stillegung des Streckenstumpfes Hilgen - Opladen die Geschichte des "Balkanexpress", der einstmals durchgehenden Schienenverbindung zwischen Remscheid-Lennep und Opladen. Der Abschnitt Lennep - Wermelskirchen überlebte noch bis 1994, bevor auch ihn das absehbare Schicksal nur allzuvieler Nebenbahnen ereilte.
Damit endete eine über hundert Jahre währende Ära, die ihren Anfang im Oktober 1881 nahm, als ein Durchgangsgüterzugpaar zwischen Lennep und Opladen regelmäßig verkehrte und kurz darauf auch der fahrplanmäßige Personenverkehr mit dem 15. Oktober desselben Jahres aufgenommen wurde.
Über die nach den Angaben des Autors zumindest seit 1931 nachweislich auch "Balkanbahn" genannte Strecke, die der Volksmund im Laufe der Jahrzehnte schließlich als "Balkanexpress" bezeichnete, sind in der Heimatliteratur als auch in der eisenbahnspezifischen Fachliteratur bereits der eine oder andere Beitrag publiziert worden. Eine eigene, abgeschlossene Arbeit dazu fehlte indes und liegt nun mit diesem Heft erstmals vor. Es spricht dabei Eisenbahnfreunde wie auch lokalgeschichtlich Interessierte gleichermaßen an.
Bemerkenswert ist, welche Bedeutung diese Strecke seinerzeit für die Anliegergemeinden hatte, deren wirtschaftliche Entwicklung damit unabweislich verbunden war. Der Aufschwung den die Bahn nahm, manifestiert sich allein schon darin, daß aufgrund preußischer Sparsamkeit heraus viele Bahnhöfe [Pattscheid, Bergisch Neukirchen] und Anlagen entlang des "Balkan" als zu klein konzipiert wurden und teilweise aufgrund des Verkehrsaufkommens mehrfach erweitert werden mußten.
Beispielhaft mutet dagegen mit dem Fortschreiten des motorisierten Individualverkehrs in der späteren Nachkriegszeit der Niedergang dieser Verkehrsader an. Einhergehend mit dem Verfall der sie umgebenden Infrastruktur. Insofern auch ein verkehrspolitisches Lehrstück, kann man doch am Rande nachlesen, daß die Bahn "durch eine Beteiligung am schienenparallelen Busverkehr zwischen Lennep und Opladen" als ihr eigener Konkurrent auftrat.
Neben der vollständigen Geschichte dieser Eisenbahnverbindung geht Autor Kurt Kaiß ausführlich auf die Streckenführung und die Historie eines jeden Bahnhofs beziehungsweise Haltepunktes ein. Hinsichtlich der Hoffnung auf eine Wiedergeburt werden auch die möglichen Perspektiven der einstmaligen Kursbuchstrecke 411 angesprochen. Deren Reaktivierung läge vor allen Dingen im Interesse der von ihnen einstmals erschlossenen Städte des heutigen Rheinisch-Bergischen Kreises. Insbesondere für die in bestimmten Ortslagen hoffnungslos überlastete Bundesstraße 51 verspricht eine erneute Inbetriebnahme des "Balkanexpress" für die betroffenen Anlieger eine gewisse Entlastung.
Der erforderliche Wiederaufbau des "Balkan" und die Kosten der Betriebsführung würden aber aber vor allen Dingen zu einem erheblichen Teil auf der Stadt Leverkusen lasten, während deren Bürger aus dieser Verbindung den geringsten Nutzen ziehen würden. Denn die Verkehrsströme verlaufen insbesondere bei Berufspendlern auf Richtung Leverkusen und weiter nach Köln zu, während in die umgekehrte Richtung ungleich geringerer Bedarf besteht.
Ein Wiederauferstehen dieser Strecke ist jedoch nur möglich, wenn alle tangierten Städte und Kreise in ein gemeinsames Boot oder in diesem Fall besser in einen gemeinsamen Zug steigen würden.
Abgerundet wird das durchgehend mit historischen schwarz/weiss Abbildungen und farbigen Aufnahmen aus der jüngeren Vergangenheit illustrierte Heft mit einem Kapitel mit Begebenheiten und Anekdoten entlang der Balkanlinie. Gleispläne der Bahnhöfe fehlen ebensowenig. Nach Heft 1, Der Brückenschlag bei Müngsten - 100 Jahre Eisenbahn Solingen - Remscheid sowie Heft 2, Die Korkenzieherbahn - Auf Nebenbahngleisen von Solingen nach Vohwinkel, ist nunmehr bereits Heft 4 der Rheinisch-Bergischen Eisenbahngeschichte in Vorbereitung: Das Bahnbetriebswerk Opladen. Ein Titel, der sich somit ganz speziell mit einem Stück Eisenbahngeschichte auf dem Gebiet der heutigen Stadt Leverkusen beschäftigt.
Der in seiner Bedeutung gesunkene einstmalige Bahnknoten und Bahnstandort Opladen ist nämlich nicht nur Sitz einer Eisenbahnwerkstätte, dem heutigen Ausbesserungswerk, sondern war auch einmal Heimat von Lokomotiven, die von hier betreut und eingesetzt wurden. Immerhin beheimatete das vormalige Bahnbetriebswerk in Opladen im Herbst des Jahres 1949 15 Lokomotiven und beschäftigte 175 Menschen.
Ein Umstand, der in der ansonsten sehr umfassenden und gründlich recherchierten Stadtchronik "Upladhin - Opladen" von Rolf Müller keinerlei Erwähnung findet.

Kurt Kaiß: "Der Balkanexpress". Rheinisch-Bergische Eisenbahngeschichte, Teil 3, 104 Seiten, Verlag A. Kaiß, Postfach 10 14 26, 42785 Leichlingen, ISBN 3-9806103-2-2, 21,80 DM.