Editorial

Voll auf den Hund gekommen

Die neue Hundeverordnung sorgt auch in Leverkusen für Ärger

Erst wenige Wochen ist es her, da erschütterte die Nachricht vom Tode eines 6jährigen in Hamburg die Nation. Er war von zwei sogenannten Kampfhunden getötet worden. Die Polizei und Rettungsdienste konnten dem Jungen nicht mehr helfen und nur noch die beiden Tiere zur Strecke bringen.
Bei weit über 50.000 (!) Hundeattacken bundesweit im letzten Jahr war es dieser Vorfall, der die Volksseele überkochen ließ und die verantwortlichen Innenpolitiker in hektischen Aktionismus stürzte. Nach Jahren der Untätigkeit überboten sich die einzelnen Bundesländer mit immer schärferen Gesetzen, um "Kampfhunden" entgegenzutreten.
So gilt nun auch in Nordrhein-Westfalen die sogenannte Hundeverordnung, die von jeder einzelnen Kommune umgesetzt werden muss.
Auch in Leverkusen herrschte nun Unsicherheit. Welcher Hund fällt unter diese Verordnung? Wenn ja, wie hat der Halter vorzugehen?


Kategorisierung großer Hunde

Große Hunde wurden nun in zwei Kategorien eingeteilt. In eine Gruppe für "Kampfhunde", die nun generell mit Leine und Maulkorb zu führen seien, deren Einfuhr und Zucht ab sofort verboten und deren Weiterbesitz nur noch mit ausdrücklicher Genehmigung der Ordnungsbehörde erlaubt ist, nachdem der Hund einer "Wesensprüfung" unterzogen wurde. Darunter fallen so problematische Rassen wie z.B. Bullterrier und Pitbulls.
Die zweite Kategorie betraf diejenigen Hunde, die allein aufgrund ihrer Größe als potentiell gefährlich eingestuft wurden. Z.B. der Rottweiler, aber auch der friedliche Golden Retriever und andere beliebte Familienhunde. Praktisch jeder große Hund wurde nun als potentielle "Beißmaschine" deklariert.
Die Folgen waren absehbar: Polizei und Ordnungsämter wurden mit Anrufen von verunsicherten Hundehaltern und sich bestätigt fühlenden Hundegegnern bombardiert. Mal war Nachbars großer Hund nicht angeleint, "was ja jetzt verboten sei", mal wurden Hundehalter aggressiv angegangen. Die Medien stürzten sich verstärkt auf das Thema, und es kam der Eindruck auf, das Problem habe sich über Nacht verschärft.


Maulkörbe Mangelware

Eine der Folgen war ein gewaltiger Ansturm auf Tierzubehörgeschäfte, deren gesamter Maulkorbbestand innerhalb kürzester Zeit landesweit ausverkauft war. Die Hersteller kamen mit der Lieferung kaum nach.
In Leverkusen wurde nun kürzlich seitens der Stadtverwaltung eine Stadtkarte veröffentlicht, in der reine Wohngebiete ausgewiesen wurden, in denen das Führen von großen Hunden generell nur mit Leine erlaubt ist. Zählt man noch die Wälder dazu, in denen aus forstrechtlichen Gründen Hunde ohnehin angeleint werden müssen, bleibt kaum noch ein Platz im Stadtgebiet, der verbotsfrei ist.
Das zweifelhafte Vergnügen, diese Verordnung in der Praxis durchzusetzen, haben wie oben angesprochen Ordnungsamt und Polizei. Während Angehörige der Polizei in der Praxis ebenfalls wohl kaum einen Pitbull-Mischling von einer Bull-Terrier-Kreuzung unterscheiden können, sind diese doch noch halbwegs bewaffnet, um notfalls die eigene Haut gegen Angriffe der Hunde verteidigen zu können - wie ja auch nach der Hamburger Attacke mehrmals geschehen.
Viel ärmer dran sind da die Mitarbeiter der Leverkusener City-Streife, die ebenfalls durch die Stadtverwaltung beauftragt wurden, die Einhaltung der Verordnung zu überwachen. Selbst wenn man mal außer acht lässt, dass hier ebenfalls das nötige Fachwissen über einzelne Hunderassen nicht über Nacht angeeignet werden kann, sind diese Mitarbeiter der Stadt wohl kaum vernünftig ausgestattet, um die teilweise aggressiven Hundehalter, die der Grund für die Verordnung sind, zu beeindrucken. Von ihren beißfreudigen Vierbeinern ganz schweigen.


Schnellschuss

Fazit: Die Hundeverordnung des Landes NRW ist ein Schnellschuss, da man das Problem von der falschen Seite angeht. Anstatt bestimmten Menschen generell die Haltung oder das Ausführen von Hunden (sonst ist es plötzlich der Hund der Freundin) zu untersagen, werden diverse Hunderassen geächtet. Leider trifft dies in der Masse diejenigen, die verantwortungsbewusst mit ihrem Tier umgehen.
Es würde ja auch niemand auf die Idee kommen, notorischen Rasern, die einen Porsche fahren, das Auto wegzunehmen und alle Porsche zu verbieten. Rasen kann derjenige auch mit einem anderen PS-starken Fahrzeug.
Genauso ist es mit den geächteten Rassen. Derjenige, der sein Tier als Waffe einsetzen will, wird auf andere Rassen ausweichen. Auch der beliebte Schäferhund könnte bald zur Beißmaschine umfunktioniert werden - und die gleiche Diskussion geht wieder los.
Wer aber eine Verordnung erlässt, muss auch für das notwendige Personal sorgen. Die Polizei, die auch noch andere Aufgaben zu erfüllen hat, kann dies nur bedingt leisten. Die Mitarbeiter der Ordnungsbehörden - hier die Leverkusener City-Streife - muss bedarfsgerecht geschult und ausgerüstet werden.

MiWi