Der Spießer als Gartenzwerg: Sternheims "Bürger Schippel"

in Ciulli-Inszenierung

Archivmeldung aus dem Jahr 2000
Veröffentlicht: 12.09.2000 // Quelle: Stadtverwaltung

Mit "Bürger Schippel", einem der bekanntesten Stücke aus Carl Sternheims Komödienzyklus "Aus dem bürgerlichen Heldenleben", eröffnet das Theater an der Ruhr (Mülheim) am Donnerstag, 21. September, die städtische Schauspielsaison im Forum. Die Inszenierung von Roberto Ciulli, mit dem Bühnenbild von Gralf-Edzard Habben, hatte im September 1999 im "Theater an der Ruhr im Raffelbergpark" Premiere. Die Hauptrollen spielen Ferhade Feqi (Paul Schippel), Rupert J. Seidl (Tilman Hicketier), Simone Thoma (Thekla), Thomas Schweiberer (Krey) und Klaus Herzog (Wolke). Vorstellungsbeginn ist 19.30 Uhr.

Mit unerbittlicher Komik, die vor allem aus seiner unnachahmlich verknappten, die Handlungsfiguren prägnant charakterisierenden Sprache resultiert, entlarvt Carl Sternheim (1878 – 1942) in "Bürger Schippel" Heuchelmoral, Standesdünkel und verbogene Gefühlsregungen des Spießbürgers. Die 1913 von Max Reinhardt in den Kammerspielen des Deutschen Theaters Berlin uraufgeführte Komödie verhalf dem aus Leipzig stammenden, zuvor nicht unumstrittenen Dramatiker zum entscheidenden Durchbruch.

Tilman Hicketier, Goldschmied in der Residenzstadt eines kleinen deutschen Fürstentums, ist das Haupt eines erfolgsgewohnten Sängerquartetts, dessen Zukunft nun aber, wenige Tage vor dem prestigeträchtigen traditionellen Wettsingen, durch den Tod seines langjährigen Tenors stark gefährdet ist.

Helfen kann nur einer: Paul Schippel, Besitzer einer Stimme von tenoralem Glanz, aber leider als ungehobelter, zudem unehelich geborener Proletarier von dem standesbewussten Hicketier und seinen Mitstreitern – dem Beamten Krey und dem Druckereibesitzer Wolke – kaum in ihrer Mitte zu dulden.

Jedoch das Interesse, das der junge Landesfürst an dem Quartett (und noch mehr freilich an Hicketiers Schwester Thekla) bekundet, zwingt die Meistersinger, den verachteten Außenseiter Schippel – der nur allzu offensichtlich den Aufstieg in den geachteten Bürgerstand herbeisehnt – als Sangesbruder aufzunehmen.

Roberto Ciulli gewann dem Stück ganz neue Aspekte ab, indem er die wilhelminische Ständekomödie als eine böse Farce mit Gegenwartsbezug zeigt. Hicketier und seine Freunde treten in dieser Inszenierung als "treudeutsche Gartenzwerge" auf, um sich im Schlussbild dann als keineswegs harmlose "deutschnationale Femebrüder" (FAZ) zu offenbaren. Und der von ihnen schweren Herzens akzeptierte Provinz-Caruso ist in der Mülheimer Aufführung (gespielt von dem kurdischen Darsteller Ferhade Feqi) ein ausländischer Mitbürger, der sich mit Frechheit und Gold in der Kehle in dieser trügerischen Bürgeridylle zu behaupten versucht.

Der Kartenpreis (4 Preisgruppen) beträgt DM 33,50; DM 28,50; DM 24,50; DM 17,50. Karten sind im Vorverkauf u.a. in der Stadt-Info (City Point) – Telefon: 02 14/4 06-33 84 – erhältlich. Am Tag des Gastspiels ist die Abendkasse im Forum – Telefon: 02 14/4 06-41 03 – ab 18.30 Uhr, also eine Stunde vor Aufführungsbeginn, geöffnet.


Anschriften aus dem Artikel: Alte Landstr 129, Albert-Einstein-Str 58

Kategorie: Kultur
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